„Wir verbinden Geräte, die ans Internet angebunden sind, über die Blockchain und machen sie darüber nutzbar!“
Im Gespräch mit Christoph Jentzsch, Slock.it GmbH
Kurz und bündig
Schlösser, die über Bluetooth, Zig bee oder ähnliche Schnittstellen verfügen, werden über Smart Contracts in der Ethereum Blockchain geöffnet und geschlossen. Durch diese Idee tun sich für Slock.it Kunden viele interessante Perspektiven auf: Wohnungen, die man ohne persönlichen Kontakt vermieten kann, Autos, die sich quasi selbst vermieten oder auch der Verkauf von Energie. Und die Vision geht weit darüber hinaus, nämlich zur Maschinen-zu-Maschine-Kommunikation (M2M), wo Maschinen autonom intelligent interagieren.
Sie entwickeln die künftige Infrastruktur der Sharing Economy, so ist es im Webauftritt von Slock.it nachzulesen. Das Ziel ist, ohne Mittelsleute alles risikolos vermieten, verkaufen oder teilen zu können und damit auch Plattformen und Makler überflüssig zu machen. Die Technologie dahinter ist die Blockchain, die mit der physischen Welt verbunden wird. Wie das alles funktioniert, darüber haben wir mit Christoph Jentzsch, einem der Gründer von Slock. it gesprochen.
IM+io: Herr Jentzsch, was ist die Idee hinter der Gründung von Slock.it? Welche Technologie kommt dabei zum Einsatz?
CJ: Ich selbst komme ursprünglich von einem Blockchain Protokoll, von Ethereum. Dabei handelt es sich um eine Blockchain-Technologie mit der sogenannte Smart Contracts erstellt werden können. Das sind dezentrale Vereinbarungen zwischen zwei Partnern. Diese kann man nutzen, um etwa Geldtransfers oder Zugangsrechte oder alle möglichen Dinge zu programmieren. Von dieser Technologie ausgehend war unsere Idee bei Slock.it, Geräte, die ans Internet angebunden sind, wir sprechen hier vom Internet of Things (IoT), über die Blockchain zu verbinden und darüber nutzbar zu machen. Das lässt sich dann wieder in der Sharing Economy nutzen, wo ich ein Gerät nicht kaufe, sondern dafür zahle, es zu nutzen. Ein ganz konkretes Anwendungsbeispiel: Wenn ich ein intelligentes Türschloss habe, das mit dem Internet verbunden ist, kann ich das Türschloss so programmieren – und das ist das, was wir bei Slock.it machen –, dass die Zugriffsrechte in der Blockchain stehen. Und in der Blockchain kann ich natürlich auch Bezahlvorgänge durchführen. Wer bezahlt, hat das Recht, diese Tür zu öffnen. Über dieses System kann ich dann meine Wohnung vermieten, wie etwa bei Airbnb. Ein intelligentes Fahrradschloss funktioniert auf die gleiche Weise. Es geht also darum, dass wir Dinge an die Blockchain anbinden und damit kontrollierbar machen. Das macht es für Sharing Plattformen viel effizienter und leichter, ihre Angebote zu vermarkten. Man hat eine App und damit eine 100 prozentige End-to-End digitale Lösung – von der Suche eines Objekts über die Anmietung und Bezahlung, bis hin zur Rückgabe. Die Blockchain macht dabei das Ganze extrem sicher.
Ist Slock.it dabei eine Kampfansage gegen einen Enabler für Plattformen?
CJ: Im Moment sind wir sicher noch Plattform Enabler für IoT Payment, aber Airbnb macht da noch nicht viel. Nun haben wir natürlich auch unsere eigene App – auf längere Sicht könnten wir damit in der Tat mit Airbnb konkurrieren, aber noch liegt unser Fokus nicht darauf. Airbnb ist ein Riese und man bräuchte ein gigantisches Marketingbudget, um dort anzugreifen. Wir fangen mit dem ersten Schritt an, wir bieten eine funktionierende App, damit kann ich Geräte über die Blockchain anbinden und bezahlen. Dazu haben wir Prototypen gebaut, Waschmaschinen, Kaffeemaschinen, Fahrradschlösser und Türschlösser angebunden, denn unser Fokus liegt darauf, universell zu sein. Wir wollen zunächst bestehenden Sharing Plattformen dadurch helfen, technologisch viele Schritte weiterzukommen, indem wir den Paymentprozess direkt ins Gerät integrieren.
IM+io: Wer sind derzeit Ihre Kunden?
CJ: Unser Produkt selbst hat noch keine Kunden, weil wir noch im Pilotstadium sind. Start war ja erst im Januar 2018. Im Moment stellen uns Interessierte ihre Geräte zur Verfügung, um die Technologie auszuprobieren, und das wird sehr gut angenommen. Es laufen also derzeit Pilotprojekte mit privaten Endkunden. Wir haben aber auch schon zahlende Kunden im Projektgeschäft. Das sind zumeist größere Firmen wie z. B. Innogy, für die wir z. B. Elektroladestationen an die Blockchain angebunden haben. Weitere Kunden sind Siemens und auch einige Firmen aus der Automobilindustrie. Für diese bauen wir Systeme, um Geräte an die Blockchain anzubinden. Das Ziel ist die Digitalisierung von Geräten, die man an- und abschalten oder auf- und zuschließen kann. Das können durchaus große Maschinen sein, die für einen bestimmten Zeitraum einem Kunden zum Gebrauch überlassen werden. Überall, wo die Bezahlung eine Rolle spielt und am Ende eine Maschine steht, kann unsere Technologie zum Einsatz kommen. Derzeit ist das eine Mensch-zu-Maschine-Zahlung, aber irgendwann kann das auch eine Maschine-zu-Maschine-Zahlung sein. Die große Vision, die wir für die Sharing Economy haben, steht noch ganz am Anfang, letztlich soll es selbstverständlich werden, dass alle, die etwas zu vermieten haben, sagen: Ich gehe zu Slock.it. Das Projektgeschäft, mit dem wir derzeit unseren Umsatz machen, findet allerdings in der Großindustrie statt.
IM+io: Wo sehen Sie heute und künftig Ihre Wettbewerber und was haben Sie diesen entgegenzuhalten?
CJ: Es gibt natürlich in jedem Bereich Wettbewerber, aber alle haben einen anderen Fokus. Wir fokussieren uns über Ethereum Smart Contracts darauf, Geräte und das dazugehörige Payment zu kontrollieren, um damit die Sharing Economy zu ermöglichen. Das ist durchaus ein Alleinstellungsmerkmal. Da wir seit 2015 unterwegs sind, können wir mit Fug und Recht behaupten, dass kaum ein anderes Blockchain Start-up so viel Erfahrung hat wie wir. Die Erfahrung und die Kenntnis der Blockchain-Technologie sowie unser Fokus, Ethereum mit IoT zu verbinden mit Fokus auf die Sharing Economy – damit stehen wir schon alleine da. Da kann etwas sehr Großes entstehen.
IM+io: Wie hat 2015 bei Slock.it alles angefangen? Wer sind die Gründer und wie haben sie zusammengefunden?
CJ: Unsere Geschichte ist von Höhen und Tiefen geprägt. Ich bin Physiker und habe bei Ethereum meinen Berufsweg gestartet. Dort habe ich auch Stephan Tual kennengelernt. Wir haben gemeinsam Slock.it gestartet. Zuvor hatte ich bereits mit meinem Bruder Simon Jentzsch die Idee entwickelt, einmal die Ethereum Blockchain zu nutzen, um ein intelligentes Türschloss zu bauen. Das war 2014. Der Prototyp hat so viele Menschen begeistert, auch Stephan Tual, dass wir beschlossen, das zum Geschäft zu entwickeln. 2015 wurde dann Slock.it gegründet, mit dem Ziel, Schlösser mit der Blockchain zu verbinden, um ein universales Sharing Netzwerk zu ermöglichen. Wir hatten sehr schnell in Fachkreisen eine gute Resonanz. Dann stellte sich die Frage der Finanzierung. Es ging darum, sogenannte Tokens in der Blockchain zu verkaufen und auf diese Art und Weise eine Crowdfunding Finanzierung zu starten. Wir haben uns 2016 für den Weg über eine DAO, eine Dezentrale Autonome Organisation, entschieden. Wir schrieben einen Smart Contract, der dann 150 Mio. US -Dollar eingenommen hat. Aufgrund eines Fehlers im DAO Code, der diesen angreifbar machte, musste der Smart Contract aber wieder rückabgewickelt werden. Am Ende erhielten glücklicherweise alle, die ihr Geld hineingegeben haben, ihr Investment wieder zurück. Dieser Weg war für uns also zugleich ein großer Erfolg und ein großer Misserfolg [1]. Tatsache ist aber, dass wir uns über ein halbes Jahr nur damit beschäftig haben. In dieser Zeit kamen wir natürlich nicht dazu, unsere eigene Lösung zu bauen. Im Sommer 2016 haben wir uns dann zunächst auf Projektaufträge für größere Firmen konzentriert und damit Geld verdient. 2017 bekamen wir ein Investment von zwei Mio. Dollar aus Silikon Valley. Von da an konnten wir uns wieder richtig darauf konzentrieren, die Plattform aufzubauen. Wir haben schon eine interessante Firmengeschichte hinter uns, aber die Ursprungsidee und zugleich aktuelle Treibfeder ist, diese neuartige Blockchain-Technologie mit ihren Smart Contracts zur Anwendung zu bringen. Wir stehen auf solidem Grund, auch weil unser Unternehmen in mehrfacher Hinsicht Familienflair hat. Nicht nur mein Bruder Simon ist mit im Team, auch mein Cousin Benjamin Jentzsch, der sich um Buchhaltung und Verwaltung kümmert. Familiär auch, da wir nicht in Berlin, sondern im verträumten sächsischen Städtchen Mittweida sitzen. Bei 15.000 Einwohnern geht es eher gemütlich zu. Dabei haben wir aber eine ausgezeichnete IT-Infrastruktur, denn hier sitzt auch die Hochschule Mittweida mit 5.000 Studenten. Wir haben eine bessere Infrastruktur als mancher in Berlin, dazu gehört eine 100 MBit Leitung und damit superschnelles Internet.
IM+io: Wo möchten Sie mit Ihrem Unternehmen in fünf Jahren stehen?
CJ: Ich möchte, dass wir der Marktführer dafür sind, alle IoT Payments aus der Blockchain abzuwickeln. Ich hoffe, dass unsere Hauptkunden zum einen Sharing Plattformen sind und dass sich unsere eigene App am Markt als Leader etabliert, als Hauptprovider für IoT Payment. Wir sind heute schon international unterwegs und das wollen wir ausbauen. In der Blockchain Community haben wir bereits einen sehr bekannten Namen, nicht zuletzt über Social Media.
IM+io: Sehen Sie sich dauerhaft als Unternehmer mit allen damit verbundenen Risiken, oder reizt auf Sicht der lukrative Verkauf von Slock. it an einen Konzern?
CJ: Wie der Exit von Slock.it einmal aussieht, das ist noch völlig offen. Ich habe derzeit nicht vor zu verkaufen. Ich möchte Unternehmer sein und weiß, dass ich mit Sicherheit nicht mehr bei einer Firma als Angestellter arbeiten werde! Es mag eigenartig klingen, aber ich habe die Unternehmensgründung nicht als großes Risiko empfunden. Als Softwareentwickler hat man einfach immer Arbeit. Wir haben auch erfolgreich in Kryptowährungen investiert und das hat uns am Start ein gewisses Polster gegeben. Ich habe auch keinerlei Bedenken, dass wir jederzeit weiteres Risikokapital aufnehmen könnten – und zwar so viel, wie wir brauchen! Es gibt mehr als genug Geld im Markt. Wenn man die technischen Fähigkeiten und ein gutes Geschäftsmodell hat, ist das kein Problem. So haben wir die Chance, unserer eigenen Vision und Passion nachzugehen!